Digitalisierung der Arbeitswelt – eine Chance für Frauen? (Teil 1)
Die Digitalisierung stellt die Arbeitswelt auf den Kopf: Strukturen, Prozesse und Arbeitsplätze verändern sich. Eine Hoffnung ist, dass durch die Digitalisierung Probleme und Hürden für Frauen in der Arbeitswelt weniger werden. Hier schließt sich die Frage an, wie dann genau die Chancen für Frauen durch die Digitalisierung aussehen?
Digitalisierung ist ein allgegenwärtiges Thema – und das nicht nur bei der FDP. Über „die Digitalisierung“ sind schon unzählige Artikel geschrieben worden und es werden wohl auch in Zukunft noch viele dazukommen. In einigen Beiträgen wird die digitale Transformation auch mit der Förderung und dem Aufstieg von Frauen in der Arbeitswelt verknüpft. Ist da etwas dran?
Eine kurze Anmerkung vorweg: es ist unbestritten, dass durch die digitale Transformation viele Probleme entstehen. Frauen wie Männer müssen sich an die neuen Arbeitsweisen und Anforderungen der Arbeitswelt anpassen und sich auf die enorme Umstrukturierung der Arbeitslandschaft einstellen. Der Fokus dieses Artikels liegt jedoch explizit auf den Fragen, ob und wie sich die Digitalisierung für Frauen in bestimmten Bereichen auszahlen kann.
Neue Fähigkeiten sind gefragt
Im Kontext der Digitalisierung wird immer wieder auf sich verändernde Qualifikationen hingewiesen, die Arbeitnehmer*innen für einen Job mitbringen müssen. Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen und Einschätzungen gehen davon aus, dass die Nachfrage nach soziale Fähigkeiten stark zunehmen wird. Denn durch die stark vernetzten Arbeitsstrukturen kommt es zu einer enormen Aufwertung kommunikativer und sozialer Kompetenzen, also Fähigkeiten, die vor allem Frauen zugeschrieben werden. Diese sind Frauen aufgrund ihrer Erziehung und Sozialisation vertrauter.
Welchen Einfluss die Digitalisierung auf Frauen in der Arbeitswelt haben wird, untersucht die Studie „The Effects of Digitalization on Gender Equality in the G20 Economies“ vom Institut für Weltwirtschaft Kiel für die G20-Engagement-Group Women 20. Sie kommt zu dem Schluss, dass vor allem soziale Fähigkeiten wie Empathie in absehbarer Zeit nicht durch künstliche Intelligenz ersetzt werden können und somit der Arbeitsplatzverlust durch Roboter in typischen Frauenberufen (etwa im sozialen Bereich) weniger stark sein wird als in der industriellen Produktion.
Zusätzlich kann die Nachfrage nach sozialen Kompetenzen Frauen große Chancen im Kontext von hochqualifizierter Arbeit bieten. Denn auch in Führungspositionen wird soziale Kompetenz stärker nachgefragt werden und sich von einem weichen zu einem harten Faktor wandeln, wie Kira Marrs, Soziologin am Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München, ausführt. Die steigende Komplexität von Führungsaufgaben wird dazu führen, dass Führungskräfte zunehmend auf ihr Team angewiesen sind – Teamfähigkeit und Kommunikationsstärke führen dann zu optimaler Arbeitsleistung. Kira Marrs führt dazu aus: „Der durchsetzungsstarke Macher ist da – freundlich ausgedrückt – dysfunktional.“
Digitalisierung bietet Lösungsmöglichkeiten
Nicht nur die veränderten Qualifikationen durch die Digitalisierung können Frauen eine Chance bieten und zu gleichen Möglichkeiten unabhängig vom Geschlecht beitragen. Gerade im Bereich der Unternehmensgründung kann die Digitalisierung mit dazu führen, dass sich die Lücke zwischen den Geschlechtern schließt. Obwohl ausreichende finanzielle Mittel gerade für Frauen immer noch ein Problem darstellen, sind die Anfangshürden für die Gründung durch die Digitalisierung deutlich niedriger geworden.
Ein Küchentisch, ein Laptop, eine gute Idee – mehr braucht es zunächst nicht, um ein Unternehmen zu gründen. Und durch die Online-Kanäle wie Homepage, Facebook, Xing und andere Kanäle ist Marketing bei entsprechenden Kenntnissen so einfach wie noch nie und das mit einem (noch) relativ geringem finanziellen Aufwand. Auch beim Thema Weiterbildung können Frauen profitieren und aufholen. Durch Online-Tools, Online-Anleitungen, Online-Magazine oder auch Webinare wurden viele Möglichkeiten geschaffen, Weiterbildung unabhängig(er) vom Geschlecht voran zu treiben.
Beim Thema Netzwerke spielt die Digitalisierung auf jeden Fall eine große Rolle. Zugegeben, einige Frauennetzwerke haben das digitale schon im Namen: etwa die Digital Media Women oder die Woman in Digital. Netzwerken ist sehr viel leichter geworden, da sich Frauen online verbinden können, um dann offline gemeinsame Veranstaltungen, Weiterbildungen oder Austauschgruppen zu bilden. Frauen haben damit die Möglichkeit den sogenannten „Old Boy Networks“ ein Schnippchen zu schlagen.
Digitale Frauennetzwerke erleichtern Vernetzung
Ein Punkt, der oft genannt wird, ist die vielbesagte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit Digitalisierung wird oft flexibles Arbeiten von zu Hause und Gleitzeit assoziiert, was natürlich zur Vereinbarkeit beiträgt. Gerade hier gibt es aber auch Gegenbeispiele, wie eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds belegt. Es öffnet sich nämlich auch immer gleichzeitig ein Einfallstor für die Entgrenzung von Privat- und Berufsleben, Kontrolle und Überlastung. Hier muss abgewartet werden, was die zunehmende Praxis zeigt und es sind der Staat, Arbeitgeber*innen aber auch Gewerkschaften gefragt, die richtigen Anreize zu geben und Weichen zu stellen.
Zuletzt könnte die Digitalisierung weibliche Karrierewege im Hinblick auf die „gläserne Decke“ fördern, wie Susanne Dyrchs, Personalerin bei einer internationalen Unternehmensberatung, ausführt. Mit der Digitalisierung der Bewerbungsprozesse, etwa durch eine Vorauswahl durch spezielle Computerprogramme, werden die objektiv besten Kandidat*innen ausgewählt. Das klassische Bauchgefühl, eine Mischung aus Sympathien, Vorurteilen und Erfahrungen, spielt so in der Vorauswahl keine Rolle, denn ein Computer ist emotionslos. Außerdem werden zunehmend Softwareprogramme eingesetzt, die Angaben wie Geschlecht, Alter und Herkunft in Lebensläufen schwärzen. Die häufige Benachteiligung von Frauen in solchen Prozessen kann somit ein Stück weit ausgehebelt werden.
Grundsätzlich ist festzuhalten: Digitalisierung bietet Chancen, diese sind aber natürlich nicht exklusiv für Frauen. Sie kann jedoch zur Lösung von Problemen beitragen, die nun mal vor allem frauenspezifisch sind und somit einige Hürden senken, mit denen Frauen im Berufsleben immer noch konfrontiert sind. Dass die Digitalisierung nicht nur Verbesserungen verspricht, sondern auch zu großen Herausforderungen führt, ist unumstritten. Sie hat jedoch enormes Potential, welches sich Frauen zunutze machen können. Das dieses Potential auch von den richtigen politischen Weichenstellungen abhängt, könnt ihr im zweiten Teil zum Thema Frauen und Digitalisierung nachlesen.